In Norwegen trifft man auf versteinerte Trolle, malerische Landschaften und eine Küche, die zu entdecken sich lohnt.
Herbert Huber
freier Journalist und BuchautorDer gelernte Koch und diplomierter Hotelier SHL war 25 Jahre Gastgeber mit seiner Ehefrau Gertrude. Seit 20 Jahren ist er freier Journalist. Huber liebt auf den Reisen Kultur und Kulinarik zu entdecken. Die Reise nach Norwegen hat ihn total begeistert.
Eine menschenleere Hochebene in Norwegen. Weite, frische Luft. Da taucht eine Campinganlage mit einer Bergraststätte auf. Als hätte man in dieser gottverlassenen Gegend von Friisvegen auf Menschen gewartet, serviert die Hüttenwartin warme, hausgemachte, herrlich duftende Waffeln. Sie sind sündhaft gut: mit Preiselbeer- oder Rhabarberconfitüre und dickem, leicht gesäuertem Rahm. Spätestens bei dieser Rast nahe der malerischen Stadt Røros wird klar: Nicht nur landschaftlich bietet Norwegen viel. Sondern auch kulinarisch.
Der Weg zu weiteren Entdeckungen führt nach Røros. Am Fusse von Schlackenhalden gelegen, stehen dessen schmucke bis zu 250 Jahre alte Holzhäuschen. Sie gehörten einst Bergleuten. Bis in die 70er-Jahre wurde hier Kupfer abgebaut. Exportiert wurde dieser via Trondheim, eine der schönsten Städte des Landes. Beidseitig des Kanalhafens stehen dort auf Pfählen bunte Holzhäuser.
Wir schlendern durch den kleinen, aber feinen Fischmarkt und bekommen Appetit: Geräucherter Lachs, Kabeljau und Heilbutt. «Häcktätschli» aus Fisch wird zum Direktverzehr à la minute gebrutzelt. Auf dem Hurtigrutenschiff Midnatsol geht die Reise während sieben Stunden weiter. Leise gleitet das neunstöckige Schiff über das Meer. Wir treffen auf Torry Sakkariassen, den Kapitän. Der blonde Norweger lädt spontan auf die Kommandobrücke ein.
Früher mit Öltankern ist er seit fast fünfzehn Jahren nun mit den Hurtigruten auf See. Bei Sturm und Schnee, Nebel und Regen. Er bringt die Touristen unter anderem zum Geirangerfjord. Mit seinen imposant aufragenden Felswänden ist er ein Besuchermagnet. Was die meisten nicht wissen: «Diese Felsen sind eine ernsthafte Gefahr, denn beim Berg Åkernes sind 54 Millionen Kubikmeter Gestein instabil», erzählt Sakkariassen. Mit einem sogenannten Extensometer werden Temperatur, Geräusche und Bewegungen im Gestein gemessen. «Bei einem Bergsturz würde es eine bis zu 40 Meter hohe Flutwelle geben», sagt der Kapitän. Deshalb gilt Åkernes als der bestüberwachte Berg Europas.
Die Nachkommen der Walfischfänger
Auch der «Trollstigen» steht unter ständiger Beobachtung. Die 55 Kilometer lange Verbindung zwischen Andalsnes und Validal gehört zu den bekanntesten Strecken Norwegens. Die elf Serpentinen, ein Meisterwerk norwegischer Baukunst, macht eine Überquerung des Passes möglich. Als Fahrer konzentriert man sich auf die Ausweichstellen. Die gezackten Berge rundherum sollen einst Trolle mit rüsselförmigen Nasen, kleinen Augen und struppigen Haaren aus Moosen und Wurzeln gewesen sein. Auf dem Weg zu einer Hochzeitsfeier hätten sie getrödelt und sich, von der Sonne überrascht, in Steine verwandelt. So will es eine Sage.
Ein Versprechen wird eingelöst
Wenn Kapitän Torry frei hat und von Bord des Hurtigrutenschiffs geht, geniesst er die Tage bei der Familie. Er liebt frischen Lachs und norwegische Fischplatte. Sein Grossvater sei Walfischfänger gewesen, erzählt er. Deshalb esse er ab und zu etwas Wal. Doch es sei bis heute schwierig, über Walfischfang in Norwegen zu sprechen. Deshalb gibt es auch auf der «Midnatsol» keinen Wal auf dem Speiseplan. Tage später, auf dem Markt in der wunderschönen Hansestadt Bergen, wird hingegen Wal angeboten. Als Wurst zum Degustieren und vakuumverpackt. Trotzig widerstehen wir. Bevor wir unsere Koffer für Norwegen gepackt hatten, mussten wir unserem Sohn versprechen, kein Walfleisch zu essen. Dafür gab es in einer urigen Beiz Rentier- und Elchfilets. Gut zubereitet, saignant, allerdings mit lieblosen Beilagen. Und der Geschmack? Es «wildelet» wie bei uns ein Hirschfleisch.
Mit der Bergenbahn geht es schliesslich Richtung Oslo. Überwältigt sind wir vom Örtchen Finse, der höchstgelegene Bahnhof Nordeuropas. Wir fahren durch eine intakte, farbenprächtige Landschaft. Sieben Stunden lang, durch 140 Tunnels, mit gegen 30 Stationen, bevor die prachtvolle Königsstadt ins Blickfeld rückt.
Autor: Herbert Huber / Bericht erschien am 31.8.2019 in der Luzerner Zeitung.