Hei, hei, Hurtigruten! Das norwegische Postschiff überrascht mit neuen Ideen, Insiderwissen an Bord, magischem Licht an der Reling und Abenteuern an Land. Ein Logbuch über eine märchenhafte Reise an den nördlichsten Punkt Europas.
Veröffentlicht: 2017
Franziska Hidber
Redaktorin Nordland-MagazinDer Norden hat das Herz von Franziska Hidber, Redaktorin und Reporterin des Nordland-Magazins, im Sturm erobert. Über dem Polarkreis fühlt sich die «Lapinhulla» (Lapplandverrückte) schon wie daheim.
«Meine Damen und Herren, es sind Nordlichter zu sehen.»
Tromsø, 69° 38’ 48”
Sie wartet mit der unerschütterlichen Eleganz einer Königin. God aften, guten Nachmittag, MS Nordnorge! An diesem späten Samstagnachmittag Ende Januar entere ich das legendäre Hurtigruten-Schiff im Hafen von Tromsø, der nördlichsten Universitätsstadt der Welt, fast 400 Kilometer oberhalb des Polarkreises. Es wird mein schwimmendes Zuhause bis nach Kirkenes sein, dem Wendepunkt nahe der russischen Grenze. Schnell den Rollkoffer die Rampe hochziehen und dann verblüfft stehen bleiben: Holzhocker mit Fell und helle Böden erwarten die Passagiere, alles wirkt freundlich, skandinavisch leicht und frisch. Dieser Eindruck setzt sich fort auf dem Panoramadeck, im Speisesaal, im Bistro, im Vortragsraum – moderne Sessel, Tische und Stühle im nordischen Stil geben dem Innenleben des Postschiffs ein junges Gesicht. An die Stelle von behäbiger Nostalgie ist lockere Leichtigkeit getreten, nicht nur bei der MS Nordnorge – sie ist eines der fünf Schiffe der Hurtigruten-Flotte im neuen Design. Altmodisch ist hier gar nichts mehr – abgesehen vom Signal, das unköniglich laut die Abfahrt verkündet, pünktlich um 18.30 Uhr.
An Bord, Aussendeck 5
Avgang! Immer mehr Passagiere drängen sich aufs Aussendeck. Am Quai stehen Leute und winken, wir winken zurück, Fotoapparate klicken, man hört Rufe und Gelächter, und schon gleitet das Schiff gemächlich aus dem Hafen und nimmt Kurs Richtung Norden. Tromsø, auch Pforte des Eismeeres genannt, entfernt sich immer weiter, die Lichter der Stadt mit ihren 80 000 Einwohnern verschwimmen. Der Wind frischt auf, verjagt die Wolken, Fetzen des dunklen Nachthimmels sind zu sehen, und da!, erste Sterne erstrahlen. Schwarz und geheimnisvoll liegt der Nordatlantik vor uns. Leise klatschen die Wellen an den Bug, weisse Gischt spritzt hoch, als das Schiff mit 15 Knoten in der Stunde rhythmisch durchs Wasser pflügt, dem Ende von Europa entgegen. Mir ist, als hätte ich eine Zeitreise in eine andere Welt angetreten. Bin ich tatsächlich erst heute Vormittag in Zürich in den Flieger gestiegen, um nach nicht einmal vier Stunden Direktflug mitten in diesem polaren Märchen zu landen?
An Bord, im Speisesaal
Im Speisesaal wird am fünften Tag der nordgehenden Strecke Bergen–Kirkenes erst in Kräutern gebackener Stockfisch serviert, hernach arktischer Saibling mit Rahmkohl, Kartoffeln und Schnittlauchemulsion, alles frisch angeliefert von lokalen Produzenten. «Lecker, nicht?», fragt der Kellner verschwörerisch und flüstert, während er den Weisswein einschenkt: «Mein Lieblingsessen!» Die Atmosphäre ist entspannt und ungezwungen, im Sakko oder Abendkleid tafelt hier niemand, und das Ambiente erinnert an ein trendiges nordisches Café. Als «mein» Kellner den Teller mit Røros-Joghurtkuchen mit Sanddorn bringt, ertönt die Durchsage aus dem Lautsprecher: «Meine Damen und Herren, es sind Nordlichter zu sehen.» Also Dessertgabel wieder hinlegen, in die Jacke schlüpfen, nach Mütze und Handschuhen greifen und raus aufs Aussendeck 5. «Da hinten!», flüstert jemand, und tatsächlich: Am Himmel hat sich ein weisser Fleck gebildet, jetzt nimmt er einen Grünton an, verfärbt sich mehr und mehr, und nun beginnt dieser Fleck zu tanzen. Es sieht aus, als streckte das Licht eine Hand nach uns aus, als zerfliesse das Grün im Nachthimmel. «Oh, es kommt immer näher», ruft eine junge Frau, ein Mann kämpft mit dem Stativ, «Ahs» und «Ohs» sind zu hören. Alle schauen ergriffen himmelwärts zu diesem Spektakel, und plötzlich ist das Licht verschwunden, so schnell, wie es gekommen ist. Wir bleiben einen Augenblick wie verzaubert stehen, saugen die salzige Luft der frischen Polarnacht in uns auf, geniessen den Fahrtwind; und als ich mich kurz vor Mitternacht in mein Bett in der Kabine 302 lege, schaukelt mich die MS Nordnorge sanft, aber schnell in den Schlaf, während sie Seemeile um Seemeile zurücklegt. God natt!
«Moderne Sessel, Tische und Stühle im nordischen Stil geben dem Innenleben des Postschiffs ein junges Gesicht»
Vor Honningsvåg, 70° 58’ 43”
«Ihr müsst jetzt tapfer sein!», sagt Svenja vom Expeditionsteam mit einem Augenzwinkern und deutet auf das Plüschrentier in ihrer Hand. Wir stehen auf dem Panoramadeck und warten gebannt darauf, was jetzt an diesem Morgen folgen wird, der trüb und mit Schneeflocken begann und uns dann eine Farborgie von orange bis violett am Himmel beschert hat. Svenja räuspert sich: «Rudolph the reindeer ist in Wirklichkeit eine Sie! Denn Männchen haben im Winter ihr Geweih längst abgestossen.» Ein Raunen geht durch die Menge. «Oh my God, wie soll ich das meiner Enkelin beibringen?», fragt die Amerikanerin neben mir. Lautes Gelächter. Links und rechts gleiten Inselchen und Schneeberge vorbei, wir nähern uns dem Nordkap. «Im Sommer würdet ihr hier etwa 6000 Rentiere weiden sehen», erklärt Svenja mit Blick auf die Insel Magerøya. «Sie werden mit Transportern und Booten auf die Insel gebracht und schwimmen im Herbst satt und prall selber zurück.» – Wieder ein Raunen. Unsere Expeditionsleiterin schmunzelt: «Ja, man nimmt ein Rentier ins Boot, und alle anderen folgen durchs Wasser hinterher. Durch den hohen Fettanteil schwimmen sie ganz leicht.» – Robert aus Deutschland schüttelt ungläubig den Kopf: «Ich war schon so oft im Norden», sagt er, «aber das hab ich nicht gewusst.» Typisch für das neu lancierte Hurtigruten-Expeditionsteam an Bord: Es macht aus Passagieren Experten, aus Gästen Expeditionsteilnehmer.
Am Nordkap, 71° 58’ 41”
Knapp vor meinen Füssen fällt der Felsen fast senkrecht ins Meer, über meinem Kopf ist der Himmel weit und wirkt zerklüftet in all seinen Blautönen, vor mir liegt der Nordatlantik in seiner endlosen Weite. Wir stehen auf dem Nordkap, 2100 Kilometer vom Nordpol entfernt, 514 Kilometer oberhalb des Polarkreises, auf 307 Metern über Meer, am vermeintlich nördlichsten Punkt Europas. Denn der nördlichste Punkt befindet sich etwas entfernt auf dem schwer zugänglichen Felsen Knivskjellodden, auf dem Breitengrad 71° 11’ 08”. Königin Sonja von Norwegen hat ihn einst erklommen und sich damit in die Herzen der Norweger gewandert – und selbst Nordland-Chefredaktorin Nadja Hänni eroberte den Knivskjellodden schon mit eigener Muskelkraft. Wir hingegen sind mit dem Bus hinter dem Schneepflug hergefahren, so will es das Gesetz. Im Sommer wird am Nordkap manchmal gebadet, es gibt zwei hübsche Buchten mit den Namen Copacabana und Baywatch. Allerdings, erklärt die lokale Reiseleiterin, bleibe kaum jemand länger als zwei Minuten im Wasser. Hier auf dem nahezu baumlosen 71. Breitengrad leben Menschen aus 70 Nationen friedlich zusammen – so nördlich wie sonst nirgendwo auf der Welt. Das liegt am warmen Golfstrom, der die Temperaturen selten unter minus 4 Grad fallen lässt.
An Bord, Panoramadeck
Und wieder dieser lang gezogene, längst vertraute Signalton. Einmal, zweimal. Avgang! Die MS Nordnorge bricht zur letzten grossen Etappe nach Kirkenes auf. Bald lassen wir den nördlichsten Punkt der Reise hinter uns, nun führt die Küste erst ost- dann südwärts. Vom Panoramadeck oben ist leise Klaviermusik zu hören, das Klirren von Eiswürfeln im Glas, gedämpfte Stimmen. Mein Lieblingsplatz. Ich lehne mich im Sessel vor der grossen Fensterfront zurück und schaue hinaus in die Nacht. Die Lichter an der Küste werden immer weniger. Hier oben ist die Natur gross und die Zivilisation klein. Mit nur 16 Menschen pro Quadratkilometer (in der Schweiz sind es 200) ist Norwegen ohnehin dünn besiedelt, ganz im Norden, in Lappland, kommen auf einen Quadratkilometer noch zwei Bewohner.
Schneehotel, Kirkenes, 69° 43’ 37”
Es ist still. Kein Laut ist zu hören, der Schnee dämpft jedes Geräusch. Ich kann meinen Atem sehen, die kleine Wolke, die aus dem dicken Schlafsack steigt. Mein Zimmer für eine Nacht ist ganz aus Schnee, die Wände von einem Schneekünstler gestaltet. Aber im Schlafsack ist es kuschelig warm – kaum zu glauben, dass die Raumtemperatur minus vier Grad betragen soll. Die Bilder des Tages gehen mir durch den Kopf. Wie ich die MS Nordnorge heute in der Früh bei knallblauem Himmel verlassen habe. Wie wir mit Frank, dem einheimischen Reiseleiter, an die gut bewachte russische Grenze gefahren sind, in diese idyllische Fjordlandschaft, wo die sibirische Taiga in die baumlose Tundra übergeht. Und wie er uns in den Tunnel führte, in dem er als Vierjähriger mit den anderen Bewohnern das Ende des Zweiten Weltkrieges abgewartet hat. Ich ziehe die Schlafsackkapuze etwas tiefer. Am Abend sind wir dann in eine regelrechte Nordlichtorgie geraten, trotz des Schneesturms kurz zuvor. Immer neue Lichter tanzten am Himmel, wir kamen kaum nach mit Klicken. Nun liegt meine Kamera im beheizten Haupthaus, wenige Meter entfernt. Dort gibt es auch Duschen, eine Sauna, eine warme Lounge – falls man wegen der Kälte nicht schlafen kann. Ich drifte weg, ehe ich dazu komme, das sanfte Schaukeln der MS Nordnorge zu vermissen. Aber – was ist jetzt los? Eine fröhliche und sehr wache Stimmung mischt sich plötzlich in meinen Traum: «God morgen! Frokost! Sauna!» – Wie, schon morgens um acht? Ich hab geschlafen wie eine Bärin in ihrer Winterhöhle. Und dass Filterkaffee so gut schmecken kann, hätte ich auch nie gedacht.
An Bord der MS Kong Harald, Rezeption
Velkommen, Kong Harald. Mit ihr werde ich wieder südwärts reisen, denn die MS Nordnorge ist längst Richtung Bergen unterwegs. Ich beziehe eine schicke Aussenkabine auf Deck 5 mit einer Schwarz-Weiss-Fotografie von Norwegens Bergwelt. Vom Bett aus sehe ich direkt auf die See und den Himmel, der jetzt in ein sattes Goldgelb getaucht ist: Der nächste Sonnenuntergang kündigt sich an. «Diese Jahreszeit und diesen Streckenabschnitt mag ich am liebsten», sagt der Schweizer Tourguide Heinz Erbacher, von allen «Onkel Heinz» genannt. Er steht an der Rezeption und schaut aus dem hohen Fenster. «Das Licht ist unglaublich!» Vor bald zwei Jahrzehnten ist der Basler der Liebe wegen nach Norwegen gekommen, seit 17 Jahren begleitet er die Gäste mit der Hurtigruten von Bergen nach Kirkenes und zurück. Er erklärt ihnen den Maschinenraum, preist mit launigen Worten die über 60 Landausflüge an, lädt zu einem «Energy Coffee» an Deck mit Blick auf die Gasraffinerie vor Hammerfest und nennt eine Passagierin auch mal «lieber Schatz», was ebenso gut ankommt wie sein gewollter Schweizer Akzent. Gebärdet sich die See stürmisch wie an diesem Abend, nimmt «Onkel Heinz» besorgten Passagieren mit Humor den Wind aus den Segeln: «Leute, das hier ist kein Orkan, und nein, auch nicht Windstärke 13, die Skala reicht sowieso nur bis 12. Ihr könnt also nicht mal prahlen zuhause!» Nichts bringt den begeisterten Seefahrer aus der Ruhe, am wenigsten «ein paar Wellen». Vor Jahren hat er notfallmässig bei einer Geburt auf dem Schiff assistiert, der Bub wurde nach ihm benannt. Als er das erzählt, wischt er sich eine Träne aus den Augen. Für ihn ist die Hurtigruten die schönste Art, Norwegens Küste zu bereisen: «Näher an die Küste während so langer Zeit kommst du sonst nie!»
Hammerfest, 70° 39’ 48”
Dass selbst auf einem Schiff die Zeit wie im Flug vergehen kann, zeigt sich an diesem letzten Tag einmal mehr – dabei fährt auch Kong Harald mit 15 Knoten eher gemächlich. Zum Vergleich: Die Titanic schrammte damals den Eisberg mit rund 30 Knoten. Viel hat noch Platz in diesen letzten Stunden. In Hammerfest gehen wir an Land und geniessen die Aussicht auf die nördlichste Stadt der Welt vom Berg Salen. Später üben wir mit den Matrosen, wie man richtige Seemannsknoten macht, und wetteifern im Hurtigruten-Wettbewerb um die meisten Punkte. Und dann: Noch einmal im Sessel an der Fensterfront sitzen, noch einmal an der Reling stehen, noch einmal das Salz auf den Lippen und den Nordwind im Haar spüren, ins Wasser schauen, sich dem Rhythmus des Schiffs hingeben. Kurz vor Mitternacht kündigen sich die Lichter von Tromsø an, die beleuchtete Brücke, der Hausberg Storsteinen. Wir sind zurück im «Paris des Nordens». Ankomst!
Tromsø, 69° 38’ 48”
Der Bus bringt uns in dieser sternenklaren Nacht über die Brücke zur Eismeerkathedrale. Zeit fürs Mitternachtskonzert. Norwegische Künstler entführen das Publikum mit alten Weisen und Klavier, Flöte und Gesang in andere Sphären. Berührend, wie die junge Sängerin Hanne-Sofie Akselsen den Joik anstimmt, den Naturgesang der Sami. Ihre klare Stimme erfüllt die Seemannskirche mit den weltberühmten bunten Ostfenstern. Was für ein Abschluss! Später, im Hotelzimmer im sechsten Stock, sehe ich, wie Kong Harald lautlos aus dem Hafen gleitet und nach Süden fährt – mit 15 Knoten neuen Abenteuern entgegen. Adjø, Kong Harald, tusen takk. Schon halb im Schlaf ist mir, als hörte ich ihn noch einmal – diesen unverkennbar tiefen Ton.
Hurtigruten kurz erklärt
Der Name Hurtigruten, zu Deutsch «schnelle Route», bezieht sich auf den schnellen Wasserweg. Denn per Schiff sind die Distanzen von Küstenort zu Küstenort kürzer als auf der Strasse, die sich in unzähligen Windungen der norwegischen Küstenlinie entlang schlängelt. Kommt hinzu, dass der Nordatlantik in Küstennähe wegen des warmen Golfstroms nahezu eisfrei bleibt. 1893 gegründet, hat das Postschiff den Auftrag, Post, Menschen, Autos und Frachten zu transportieren. Doch mit ihrer spektakulären, wilden Naturkulisse lockt «die schönste Seereise der Welt» längst Touristen aus aller Welt an. Täglich verlässt eines der elf Schiffe den Hafen in Bergen, fährt nach Kirkenes und wieder zurück, das sind insgesamt 2510 Seemeilen (4649 Kilometer) in 11 Tagen.
Neues Hurtigruten-Programm
Die Schiffe im Überblick
- Neues Design: MS Nordnorge, MS Kong Harald, MS Nordkapp, MS Polarlys, MS Spitsbergen
- Expeditionsteam an Bord: MS Nordnorge, MS Nordkapp, MS Kong Harald, MS Polarlys, MS Richard With, MS Nordlys, MS Spitsbergen
- Programm für Familien mit jungen Entdeckern: MS Finnmarken, MS Midnatsol, MS Trollfjord
- Blick hinter die Kulissen: MS Vesterålen
- Nostalgische Zeitreise: MS Lofoten
- Höchster Komfort: Milleniumsschiffe MS Trollfjord, MS Midnatsol, MS Finnmarken
- Kunst- und Kultur-Seereisen: MS Trollfjord, MS Finnmarken Mehr Infos über die einzelnen Schiffe sowie Reiseangebote bieten der Hurtigruten-Spezialkatalog oder hier.
Hurtigruten-Kapitän Tommy Eliassen:
«Schlafen kann man zuhause»
Als Kapitän der Hurtigruten kennt er die norwegische Küste zwischen Bergen und Kirkenes wie seine Westentasche, aber die Natur überrascht den Norweger Tommy Eliassen immer wieder neu.
Interview: Franziska Hidber
Tommy Eliassen, Sie steuern gerade die MS Kong Harald von Hammerfest Richtung Tromsø. Nehmen Sie die glitzernden Schneeberge im Sonnenlicht überhaupt noch war?
Aber sicher. Ich bin jeden Tag fasziniert von der Natur hier. Und obwohl ich schon seit Jahren auf der Brücke stehe, erlebe ich ständig neue Überraschungen. Inzwischen bin ich klug genug, mein Smartphone für Fotos griffbereit zu halten (lacht).
Was war Ihr bisheriges Highlight?
Oh, da gibt es viele. Letzten Sommer zum Beispiel sah ich plötzlich eine grosse Fontäne – zwei Wale schossen hoch, eine Mutter und ein Kind. Sie spielten die längste Zeit zusammen, es sah aus, als tanzten sie. Ich habe in 20 Jahren auf See schon viele Wale gesehen, aber noch nie so etwas. Speziell war auch jener Wintertag, als der Himmel zu brennen schien in allen Farben von gelb bis dunkelrot.
Jetzt, Anfang Februar, haben wir ebenfalls traumhafte Sonnenauf- und -untergänge an Bord und werden mit Nordlichtern verwöhnt. Mögen Sie den Winter?
Wenn Ende Januar die Sonne im Norden oben zurückkehrt, ist das fantastisch. Doch der Winter hält für uns Kapitäne einige Herausforderungen bereit: Die See kann bewegt sein, das Tageslicht ist begrenzt. In den Monitor zu schauen, wird mit der Zeit anstrengend. Dafür gibt es kaum Probleme mit Eis – der warme Golfstrom verhindert das Zufrieren des Wassers.
Wenn nicht der Winter, welches ist dann Ihre liebste Jahreszeit?
Eindeutig der Herbst. Alles wird bunt und gleichzeitig still, selbst an Bord wird es ruhiger. Auch den Frühling finde ich toll: Das frische Grün der Birken leuchtet, und die Papageientaucher und andere Vögel kehren zurück. Die Wasserfälle haben in dieser Zeit wegen der Schneeschmelze mehr Wasser als sonst. Im Sommer fahren wir ausserdem in den Geirangerfjord, das ist immer ein Höhepunkt.
Auf der Brücke bekommen Sie die Jahreszeiten eins zu eins mit. Welchen Tipp haben Sie für Passagiere?
Geht hinaus, so oft wie möglich! Die Natur findet draussen statt. Wer viel Zeit auf dem Aussendeck verbringt, sieht weit mehr: Robben, Wale, Vögel, den Sonnenaufgang, den Sternenhimmel oder tanzende Nordlichter. Schlafen kann man zuhause wieder.
Tapas auf Norwegisch
Kontiki-Gästebetreuerin Lilian Knechtli stiess in Tromsø auf Tapas mit norwegischen Spezialitäten wie Rentierfleisch und Stockfisch – ein kulinarischer Geheimtipp.
«Von aussen wirkt es unscheinbar, das Restaurant Presis Tapas im südlichen Teil der Storgata, der Einkaufsmeile Tromsøs. Wäre da nicht das Schild mit der Überschrift ‹Presis Tapas og Bar›, würde man vermutlich an der schmucklosen Tür vorbeigehen. Aber das Innere hat es in sich: Eine gemütliche und warme Atmosphäre erwartet die Gäste. Witziges Detail: An den Zweiertischen sitzt man auf einer Schaukel, die an der Decke befestigt ist. Sehr persönlich! Dass sich im Presis Tapas sehr viele Einheimische treffen, spricht auch für die Küche. Hier werden spanische Tapas mutig mit den Höhepunkten aus Norwegens Küche angereichert, also mit Rentierfleisch, fangfrischem Tagesfisch oder Stockfisch, plus vegetarische Sorten wie Falafel oder Spiegelei serviert. Ich habe noch selten so leckere Tapas gegessen! Übertrumpft wird dieser Hochgenuss nur noch vom Dessert – das ‹Fondant au chocolat› ist absolute Spitzenklasse.»